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THEOLOGIE

 

DIE BIBEL: ALTES TESTAMENT ZUKUNFT DES GLAUBENS
DIE BIBEL: NEUES TESTAMENT SCHATTEN DES GLAUBENS
URSPRUNG DER RELIGION    

 

 

 

DAS   ALTE   TESTAMENT

 

 

SCHNELLÜBERSICHT

- Das alte Testament bildet die Grundlage für die christliche und jüdische Theologie.

- Die jüdische Gemeinde war viel länger polytheistisch als allgemein angenommen! Der Gott der Bibel etablierte sich nur zögerlich vom ehemaligen Wetter- und Donnergötzen zum einzig wahren Gott.

- Es existieren plausible, teilweise auch gesicherte Erkenntnisse über den Ursprung der Bibel, ihre Verfasser und deren Motive.

- Moderne Geschichtsforschung und Archäologie liefern ernüchternde Erkenntnisse und dementieren sogar die wesentlichsten Kernaussagen des alten Testamentes:

* Ein Auszug jüdischer Stämme aus Ägypten fand nie statt!

* Die Ur-Reiche von David und Salomo sind erfunden! Diese israelitischen Könige herrschten nur über ärmliche, belanglose Landstriche!

*Die Legende der Arche Noah ist nur die Nacherzählung einer noch älteren Geschichte aus dem altsumerischen Gilgamesch-Epos, in der ein gewisser "Ziusudra" auf Geheiß des Gottes "Ea" bezüglich einer anstehenden Sintflut weitgehend dasselbe tat, wie der biblische Noah !

*  Die Entmystifizierung der Bibel ist nicht unbedingt einem totalen Gegen-Beweis bezüglich der Existenz eines übernatürlichen Gottwesens gleichzusetzen - sie spricht aber in aller Deutlichkeit gegen ein Engagement dieses (vorstellbaren) Gottwesens als Buchautor - und insbesondere gegen die Authentizität seiner im alten Testament beschriebenen Interaktionen mit den hiesigen menschlichen Protagonisten! 

 

 

 

URSPRUNG DER BIBEL

Das alte Testament der Bibel gilt vielen Menschen seit Jahrtausenden als das vom Himmel gefallene Wort Gottes! Es bildet die Grundlage der Monotheologie und steht für das weitgehende Ende aller Naturreligionen und den Glauben an mehrere Götter.

Die modernen Bibelforscher teilen sich in 3 Lager:

Die "Traditionalisten" wähnen den zeitlichen Ursprung der Bibel etwa um 1000 v. Chr.

Die "Gemäßigten" schätzen deren Ursprünge auf 600 v. Chr.

Die "Minimalisten" vermuten die Verfassung der Kerntexte gar erst um 330 v. Chr.

 

FAKTEN:

Um 1200 v. Chr. zogen semitische Hirtenstämme von der Wüste aus ins westjordanische Bergland und wurden dort sesshaft. Der Norden der Region bis hin zum See Genezaret war eher lebensfreundlich, fruchtbar und auch für den Anbau von Wein und Oliven geeignet.

Weiter im Süden, zwischen Jerusalem und Hebron, war es weitaus karger! Zerklüftete Schluchten, wenig Wasser und stachelige Sträucher prägten hier das Landschaftsbild.

Um 1000 v. Chr. lebten in den Bergen von Kanaan (dessen Besiedlung im Gegensatz zu den biblischen Berichten kampflos erfolgte) rund 50.000 Menschen wobei der Süden sehr dünn besiedelt war.

An Ärger mit Nachbarn war kein Mangel: Interessensgebiete der Edomiter, Moabiter, Philister und Phönizer umgrenzten die Semiten. Der bedeutendste Machtfaktor der Region war aber der Pharao Ramses II! Er errichtete eine Kette an Burgen und Wasserstellen im Land. Dieser "Horusweg" diente als Ausfallstraße für die Nilarmeen.

Die biblischen Erzähler wollen in diesem pharaonischen Sperrgebiet Feldzüge des Moses gesehen haben! Ein Szenario, das moderne Bibelkundler rigoros ablehnen.

Der Pharao übte Druck auf die Bevölkerung aus und forderte Tribute. Wer diese vermeiden wollte, verzog sich in die Berge des südlichen Kanaans! Ausgerechnet in dieser Hinterwäldler-Region in der sich Outlaws und Flüchtige die Klinke in die Hand gaben (mglw. leitet sich der Begriff Hebräer sogar von "hapiru" ab, was soviel wie "Vagabund" bedeutet), lässt die Bibel glanzvolle Monarchien entstehen! König David und Salomo sollen hier prunkvoll gelebt und unschätzbare Reichtümer gehortet haben! Archäologische Versuche irgendwas davon zu finden, erbrachten jedoch nicht einmal den Nachweis eines Tempel-Grundrisses!

Um 950 v. Chr. verlor Ägypten die Kontrolle über seine Vasallen und die hebräischen Stammeshäuptlinge konnten zunächst aufblühen. Infolge dessen bildete sich im Norden der Ur-Staat Israel. Um 884 v. Chr. stieg dort der König Omri auf den Thron. Das Land hatte etwa 100.000 Einwohner. Im kargen Süden lebten weitere 10.000 Einwohner.

Im 9. und 8. Jahrhundert vor Christus erhob sich Assyrien zur damaligen Weltmacht. Dessen König Tiglatpileser III. wollte den Karavanenhandel östlich des Mittelmeeres unter seine Kontrolle bringen. Um 732 v.Chr. rückte er vor und besetzte weite Gebiete, darunter auch den Zwergenstaat Israel. Über 13.000 Bewohner Israels wurden dabei versklaft und mussten die Heimat verlassen. Das südliche Gebiet, genannt Juda, blieb vorläufig verschont. Dorthin begab sich ein Strom an Flüchtlingen. Die Einwohnerzahl Jerusalems schnellte hoch auf 15.000. 

Die gemäßigten Bibelforscher sehen an diesem Punkt der Entwicklung die Geburtsstunde des Monotheismus! Den Anschub für das "Jahwe-Projekt" soll dabei König Josia (639-609 v.Chr.) gegeben haben, der laut Bibel das Volk Israel zum genauen Befolgen der Gesetze sowie zur Abkehr von anderen Göttern und dadurch zur Erlösung führt. Er rief nun seine Priester auf, einen religiösen Beschützer zu erfinden und das nationale Epos vom verheißenen Land zu verfassen! Die Tempelleute setzten auf ethische Abgrenzung! Zahlreiche Lebensregeln und Tabus des alten Testamentes wurden zu diesem Zweck festgelegt. Jahwe steigt hier in Juda im Zuge dieser Maßnahmen vom Donnergötzen zur universellen Macht auf! Methaphysik wird zum Mittel der Wahl, um fehlende Militärkraft zu kompensieren!

Fast alle Bibelkundler gehen davon aus, dass das 5. Buch Mose ("Deuteronomium") das Ergebnis Josias Kultreform widerspiegelt.

Dieses Buch wird von einer ganz eigenen Sprache geprägt:

- Es verurteilt die Anbetung anderer Götter und droht bei Zuwiderhandlung mit furchtbaren Strafgerichten.

- Gott wird völlig entrückt und transzendent dargestellt.

- Der Opferdienst für Jahwe darf ausschließlich im Tempel vollzogen werden.

Die Zion- Priester streben das Glaubensmonopol an und wollen ihre Kollegen im assyrisch unterjochten Bruderstaat Israel aushebeln, die ebenfalls ein Jahwe- Heiligtum betreiben.

Das alte Testament ist in unterschwelliger Form fast vollständig vom Bruderstreit zwischen Israel und Juda durchzogen. Israel wird angeschwärzt wo es nur geht - als ein Land voll kleinmütiger Versager deren Könige Frevler und Sünder sind, während in Juda die frommen und gottesfürchtigen Leute wohnen!

Die Priester Judas hängen sich mächtig ins Zeug! Auch Betrug und Dokumentenfälschung sind ihnen als Methoden nicht verpönt! Lt. dem 2. Buch der Könige hätte der Hohepriester Hilkia um 622 v.Chr. bei Aufräumarbeiten im Tempel ein uraltes "Buch der Gesetze" gefunden. In Wahrheit war die Tinte des frisch geschriebenen "Deuteronomiums" noch gar nicht trocken! Die gemäßigten Bibelkundler sehen die Sache so: Um 630 v. Chr. schrieben die "Deuteronomisten" Kernstücke der Bibel, erfanden Abraham und Moses und verlegten deren Wirken durch einen Trick in die Vergangenheit!

Die "Minimalisten" vertreten eine andere Ansicht. Die Kultreform Josias halten sie für übertrieben. Die Geschichte mit dem uralten, streng monotheistischen "Buch der Gesetze" sei eine Erfindung aus noch späterer Zeit.

Neuere archäologische Funde spielen den Minimalisten in die Hände! Die Vielgötterei in Israel und Juda zog sich viel länger hin als bisher bekannt! Noch um 600 v.Chr. lebte die Bevölkerung Judas polytheistisch! Hoch im Kurs stand hierbei Baal der in vielen lokalen Varianten verehrt wurde! Eine davon war Jahwe!

Erst im Jahr 587 v.Chr. sollte sich jenes Ereignis vollziehen, dass die Sprungfedern zur Transzendenz spannte und dem Monotheismus wahrscheinlich zum Durchbruch verhalf!

Die Babylonier unter König Nebukadnezar waren auf dem Durchzug nach Ägypten und beraubten Juda, den kleinen Bruderstaat Israels, seiner Unabhängigkeit! Ein Teil der Oberschicht wurde ins Zweistromland verschleppt. Im fernen Babylon entstand eine jüdische Kolonie und dort- so sehen es immer mehr Forscher- haben die Hebräer ihr Sehnsuchtsmotiv vom verheißenen Land entwickelt.

Sie erhielten aber auch neue Impulse für ihre Gottesvorstellungen! Der babylonische Glaubenslehrer Zarathustra verkündete eine Lehre, die ebenfalls Engel kennt und auf dem Gegensatz von Gut und Böse basiert. Und auch Ahuramazda, der Hauptgott der Perser, war ein Wesen ohne Gestalt.

Die fernen Morgenländer förderten den Jahwe-Kult und 538 v.Chr. erlaubten sie den Juden die Rückkehr in ihre Heimat.

Um 445 v. Chr. wird Nehemia Bürgermeister und Esra Hohepriester von Jerusalem. Nun sind - so die Annahme der Minimalisten - die jüdischen Reformer zur Hochform aufgelaufen. Sie haben das hebräische Schrifttum durchgeflöht, umgeschrieben und um ganze fiktive Königreiche bereichert. Und sie bekämpften besonders nachhaltig jegliche Tendenzen anderweitiger Götterverehrung! Insbesondere die Himmelsdame "Aschera" war bis Dato manchem Juden symphatischer als Jahwe!

Von derlei Glaubenskämpfen merkt man in der Bibel nicht viel! Nur selten übersah die Tempelzensur verräterische Stellen, wie etwa in Psalm 68, in welchem Gott "Wolkenfahrer" (wie der heidnische Wettergötze Baal) genannt wird.

Eine Ausgrabung im ägyptischen Assuan hat Tempelpost jüdischer Söldner aus den Jahren 460 bis 407 v. Chr. zu Tage gefördert. Die Söldner waren auf einer Nilinsel stationiert und hielten regen Briefkontakt mit Jerusalem. Anhand derer Inhalte erkennt man, dass sie selbst zu dieser Zeit noch neben Jahwe mindestens drei weitere Götter verehrten, darunter die Liebesgöttin Anat!

Die Bibel könnte selbst um 140 v. Chr. noch umgeschrieben worden sein, glauben manche Forscher plausibel erklären zu können! Die Makkabäer, eine Gruppe von Hohepriestern und Königen, erkämpften um diese Zeit von Jerusalem aus die Unabhängigkeit und ließen für kurze Zeit einen Gottesstaat erblühen, geführt von den Anhängern Jahwes. Kurz darauf gingen sie sogar in die militärische Offensive und überrannten den verhaßten Norden. Der Nachbarstaat Israel wurde verschluckt und sein Name zum neuen Schlachtruf der ganzen Nation.

Nun erst, glauben die betreffenden Forscher, entstand die erfundene Geschichte vom Erzvater Abraham, dessen Wanderung durch Kanaan mit realen Ortsnamen gespickt ist und sich innerhalb eines Gebietes abspielt, auf welches die Makkabäer Anspruch erhoben. Auch die berüchtigte Bibel - Legende von der Landnahme Kanaans würde viel besser in die Zeit der Makkabäer passen! Die waren nämlich - ganz im Gegensatz zu den friedlich sesshaft werdenden semitischen Ursiedlern - tatsächlich in schwere Geländekämpfe verwickelt!

WEITERFÜHRENDE LITERATUR:

TITEL:              KEINE POSAUNEN VOR JERICHO
UNTERTITEL:   Die archäologische Wahrheit über die Bibel.
AUTOREN:       Israel Finkelstein, Neil A. Silberman, Miriam Magall
VERLAG:          dtv

 

TITEL:              DAS BIBELRÄTSEL
UNTERTITEL:   Geheimnisse der heiligen Schrift
AUTOREN:       Hans-Christian Huf
VERLAG:          Econ

 

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NEUES TESTAMENT:
JESUS VON NAZARETH

 

 

SCHNELLÜBERSICHT

- Die Geschichte von Jesus dem Gottessohn ist weder glaubwürdiger noch inhaltlich spektakulärer als viele andere Überlieferungen antiker Religionen! Sie ist vielmehr eine in üblicher antiker Denkweise verfasste propagandistische Erzählung.
 

- Die zeitlose Popularität und rasante Ausbreitung der Evangelien beruhen auf hervorragenden Vermarktungsstrategien und beispiellosem Einsatz ihrer frühesten Verbreiter, auf besondere gesellschaftliche und weltpolitische Bedingungen zu Zeiten der frühen Verbreitung sowie auf die mittlerweile zweijahrtausend alte Tradition des christlichen Glaubens!

- Keiner der vier offiziellen Evangelisten hat Jesus je persönlich gesehen oder gekannt!

- Die inhaltlichen Abweichungen zwischen den vier anerkannten Evangelien sind in Bezug auf erhebliche Details durchaus bedeutend!

- Weitere Evangelien wurden von der frühen Kirche aufgrund noch größerer Abweichungen und Unstimmigkeiten willkürlich unterschlagen! 

- Die Evangelisten beginnen schon recht bald in ihrer Erzählung zu flunkern! So werden etwa falsche Angaben über Geburtsort und Abstammung von Jesus gemacht, um die Geschichte mit prophetischen Aussagen des alten Testaments in Übereinstimmung zu bringen!

- Nicht wenige Details aus der Jesus-Geschichte lassen sich in keinen glaubwürdigen Kontext zu bekannten Tatsachen über reale historische Personen und Umstände bringen, die in den Evangelien erwähnt werden! Insbesondere Pontius Pilatus, der römische Präfekt von Judäa, dessen Existenz historisch belegt ist, dürfte weder zu einem 4-Augen-Gespräch mit Jesus bereit (bzw. infolge der Sprachbarriere ohne Übersetzer überhaupt befähigt) gewesen sein, noch über jene menschliche Bedachtheit und Umsicht verfügt haben, die ihm die Evangelisten aus einem strategischen Grund zuschreiben!

* Es gibt trotz aller Unwahrscheinlichkeit keinen totalen Beweiß gegen eine mögliche Existenz Gottes. Insofern könnte Jesus auch als Sterblicher unter göttlicher Inspiration gestanden haben.

 

 

Ich kann keine Garantie dafür übernehmen, die Quellen auf die ich mich stütze (am Schluß genannt) in jeder meiner Aussagen korrekt und ohne inhaltliche Fehler wiederzugeben, zumal ich i.d.R. nicht zitiere. Ferner bringe ich in diesem Kapitel auch (als solche ersichtliche) eigene Gedanken mit ein, für deren objektive Qualität ich ungeachtet höchster Ansprüche an die eigenen Bemühungen nicht uneingeschränkt bürgen kann!

 

DIE EVANGELISTEN

waren keine Zeitzeugen Jesu! Sie haben lediglich Texte verfasst, deren Inhalt bis Dato mündlich weitergegeben wurde. Markus, der Verfasser des ältesten Evangeliums, machte sich etwa um das Jahr 70 n. Chr. und somit erst Jahrzehnte nach dem Kreuzestod Jesu ans Werk.

Der späte Beginn einer jeglichen schriftlichen Berichterstattung ist dem Phänomen der "Parusie-Verzögerung" geschuldet: Die ersten Christen befanden sich in der festen Überzeugung, das angekündigte Weltende und die Wiederkehr Christi würden sehr bald erfolgen. Jesus selbst äußerst sich gemäß der evangelistischen Darstellung in ebendieser Weise: "....... Wahrlich ich sage euch: Es sind einige unter denen, die hier stehen, die den Tod nicht kosten, bis sie das Gottesreich kommen sehen in Kraft." (MK 9,1).

 

Was den Evangelisten Markus betrifft, könnte er als einziger bedingt dafür in Frage kommen, Jesus persönlich gekannt zu haben. Dies gilt aber als nur gering wahrscheinlich! In seinen Texten jedenfalls ist kein Kondensat eines persönlichen, ungezwungenen Kontaktes feststellbar.

Die Evangelisten sind auch bei Weitem keine neutralen, unabhängigen Berichterstatter! Sie wollen ihre Leserschaft bekehren und betreiben auch mancherlei Aufwand um die Person Jesu spektakulär und vereinnahmend aufzupolieren! So wird etwa der Geburtsort wohlweißlich von Nazareth nach Bethlehem verlegt, um einen Bezug zu alttestamentlichen Prophezeiungen und zur Person des alttestamentarischen König David herzuleiten! Auch an der Ahnenreihe wird aus demselben Grund gefeilt. Die Evangelisten Matthäus und Lukas geben sich diesbezüglich viel Mühe, allerdings in abweichender Form und unter Inkaufnahme der Paradoxie, die Vaterschaft Josephs anzuerkennen!

 

INHALT DER EVANGELIEN

Der zeitliche Rahmen in dem die evangelistischen Erzählungen handeln ist durch Einwebung realer Personen und Ereignisse gut einschätzbar! Beim Abgleich der Erzählinhalte mit historisch erwiesenen Tatsachen aus der Zeit des angeblichen Geschehens stößt man aber auf befremdliche Besonderheiten, von denen nachfolgend einige beispielhaft erwähnt sein sollen:

Anlässlich einer römischen Volkszählung (auch in besetzten Gebieten) war der in den Evangelien beschriebene Aufwand für die  Einwohner, ihren jeweiligen Geburtsort aufzusuchen, nicht erforderlich! Ferner war zur Zeit der Geburt Christi nachweislich keine Volkszählung. Die nächste war erst 6 nach Christus. Unter Zugrundelegung dieser Datierung wäre Jesus 10 Jahre jünger gewesen als allgemein angenommen! 

Auch das in den Evangelien beschriebene Vier-Augen-Gespräch mit Pontius Pilatus, der im Widerspruch zu den Aussagen der Evangelisten nicht Stadthalter, sondern Präfekt von Judäa war (der Titel des Stadthalters wurde erst im Jahr 50 unserer Zeitrechnung eingeführt)  kann als extrem unwahrscheinlich betrachtet werden. Jesus war zum Zeitpunkt seiner Verurteilung ein "normaler Krimineller" dessen Verfahren schwerlich die Anwesenheit eines hochrangigen Vertreters des römischen Imperiums erfordert hätte! Niemand konnte erahnen, welche Bedeutung seiner Person posthum beigemessen würde! Ferner sprach Jesus aramäisch und Pilatus Latein, d.h. sie hätten sich nur über einen Dolmetscher unterhalten können.

Überhaupt glaubt man den historisch verbürgten Pontius Pilatus in der biblischen Beschreibung nicht wieder zu erkennen! Er verhandelt mit dem jüdischen Klerus über die von dessen Seite beantragte Hinrichtung des "Gottessohnes"! Laut der Evangelien lässt er sich nur unter enormen Druck trotz heftigster Gewissensbisse zum Todesurteil gegen Jesus Christus breitschlagen, den die Juden nicht in eigener Autorität hinrichten dürfen. Das "Druckmittel" bestand laut der Evangelien in der von jüdischer Seite vorgetragenen Drohung, ihn beim Kaiser wegen der stillschweigenden Duldung eines selbsternannten "Gottessohnes" in seiner Provinz anzuschwärzen. Dadurch nämlich begünstige er die Untergrabung der kaiserlichen Autorität.

Die Historiker zeichnen ein ganz anderes Bild von Pilatus: Er war wegen seiner Willkür und Grausamkeit verpönt und wird später schließlich neben weiteren Gründen auch deshalb seines Amtes enthoben! Sein Verhalten erweckte und verstärkte nämlich auch den Widerstandswillen der eher gemäßigten und zumindest bedingt zur Kollaboration bereiten jüdischen Gruppierungen (insbesondere der Pharisäer). Todesurteile verhängte er zuhauf wobei sich seine "Gewissensnot" wahrscheinlich eher in Grenzen hielt! Als er im Jahre 36 nach Christus durch Vitellius, dem Legaten Syriens, abberufen wird um sich vor Kaiser Tiberius zu rechtfertigen, lauten zwei der offiziellen Anklagepunkte gegen seine Person "wiederholte Hinrichtungen ohne juristisches Verfahren" und "konstante Ausübung von extrem leidvoller Grausamkeit" (Randnotiz: Vorrangig ging es aber wohl um Verfehlungen die in den Bereichen der Korruption/Veruntreuung anzusiedeln sind)! Diese Fakten und seine bodenlose Arroganz lassen es als extrem zweifelhaft erscheinen, das er sich jemals von jüdischen Klerikern unter Druck setzen ließ!

Der "Schmusekurs" der Evangelisten gegenüber Pilatus ist strategisch durchdacht! Es liegt nämlich in ihrem Interesse oder vielmehr im Interesse der Verbreitung des Christentums, die besondere Schuld der Juden am Kreuzestod Christi hervorzuheben, die Moral der Römer hingegen aufzuwerten! Schließlich hingen Wohl und Wehe der ersten christlichen Gemeinden nicht zuletzt auch von der Toleranz der römischen Obrigkeit ab. Zudem suchten sie auch unter den Römern neue Anhänger zu finden und infiltrierten letztlich auch erfolgreich die römische Gesellschaft.

Nach erfolgtem Kreuzestod Jesu wissen die meisten Evangelisten von unerhörten Phänomenen und Ereignissen zu berichten. Am Deutlichsten geschieht dies bei Matthäus! Seiner Darstellung zufolge ereignete sich eine Sonnenfinsternis, ein Erdbeben, der Vorhang des Tempels zerriss und selbst Tote sind reihenweise in Jerusalem auferstanden! "....die Gräber taten sich auf, und viele Leiber der Heiligen, die entschlafen waren, wurden auferweckt, gingen nach seiner Auferstehung aus den Gräbern, kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen" (MT 51-53)

Die Aussage über weitere Auferstehungen von "Heiligen, die entschlafen waren" und anschließend in der heiligen Stadt vielen Menschen erschienen sein sollen, ist sehr interessant: Zum Einen relativiert sie das Außergewöhnliche an der Auferstehung Christi (er war ja somit nur einer unter vielen), zum Anderen deutet sie mglw. auf ein psychologisches Massen-Phänomen hin, das sich infolge hartnäckiger Gerüchte um Jesu Auferstehung kurzfristig eingestellt haben könnte (so wie heutzutage bspw. "Ufo-Sichtungen" zumeist in Serie auftreten)?!  Man beachte auch die exakte evangelistische Formulierung "...und erschienen vielen"! Der Begriff einer Erscheinung deutet immer auch auf den Bereich der (subjektiven) Wahrnehmung von Personen hin. Hätten sich die auferstandenen Heiligen in Jerusalem bspw. Schuhe und Brote gekauft, ihre noch lebenden Angehörige besucht oder sich in irgendeiner Form am öffentlichen Leben beteiligt, könnte man dies viel direkter und einschlägiger ausdrücken.

Johannes hingegen weiß von keinerlei solchem Spuk zu berichten! In seinem Evangelium (nur in seinem) geht nicht mal der Vorhang im Tempel hops! Dafür prunkt Johannes mit einer umso höheren Zahl an postmortalen Erscheinungen Jesu, auch vor größerem Publikum!

Trotz der extremen Ereignisse die sich laut Matthäus beim Kreuzestod zutrugen, zeigten die jüdische Priester-Kaste und der römische Justizapparat keinerlei Reaktion! Keine Revision des Urteils, kein Bedauern über den Justiz-Irrtum!

Statt dessen berichtet Matthäus von einem Fortbestehen des jüdischen Unglaubens. Ausschließlich in seinem Evangelium wird die Grabstätte Christi von Soldaten bewacht, um einem möglichen Diebstahl der Leiche zwecks Vortäuschung einer Auferstehung vorzubeugen! Diese Maßnahme läuft jedoch gründlich ins Leere! "....denn ein Engel des Herrn stieg von Himmel herab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Sein Aussehen war wie ein Blitz, und sein Gewand war weiß wie Schnee. Aus Furcht vor ihm erbebten die Wächter und waren wie tot (MT 28, 1-4)".  Der anschließende Augenzeugen-Bericht der Wachen an die Hohepriester schindet erstaunlich wenig Eindruck! Sie erhalten Schweigegeld, verbunden mit der Weisung, fälschlich zu behaupten, die Jünger Jesu hätten sich die Leiche unter den Nagel gerissen, während sie (die Wachen) den Schlaf der Gerechten hielten!

"...Die nahmen das Geld und taten, wie man sie angeleitet hatte. So verbreitete sich dieses Gerede unter den Juden bis auf den heutigen Tag"
(MT 28,15).

  Benehmen sich so wirklich Leute (die damaligen Juden allgemein), die kurz zuvor Sonnenfinsternis, Erdbeben und auferweckte Tote (in Jerusalem - im Anschluss an die Kreuzigung) gesehen haben und folglich von der Identität des "Gottessohnes" hätten überzeugt sein müssen?!

Man sollte sich auch die Situation der Wachmannschaft vergegenwärtigen: Auf ihnen lastet - sollte Matthäus die Wahrheit schreiben- nicht nur der psychologische Druck, wider besseren Wissens ein Wunder zu leugnen. Ihre schläfrige Inkompetenz hätte vermutlich dramatische, vielleicht tödliche dienstrechtliche Folgen für sie gehabt. Ferner stellt sich die Frage, warum sie als Angehörige der Besatzungsmacht ausgerechnet gegenüber den jüdischen Hohepriestern Meldung machen sollten?! Ihr regulärer römischer Befehlshaber wäre der weitaus passendere Ansprechpartner! Zudem wäre für sie der Hinweis auf ein übernatürliches Ereignis eine im Verlgeich bessere Schutzbehauptung, als das Eingeständnis eines erhöhten Schlafbedürfnisses zur Unzeit (wer kann schließlich was dafür, wenn ein Engel einschwebt und Rabatz macht?)! Dann wären ihnen die ohnehin aufkeimenden Gerüchte über eine angebliche Auferstehung zur Stärkung des eigenen Alibi sehr gelegen gekommen! Jedenfalls hätte es sich perspektivisch für sie angeboten, auf diesen Zug aufzuspringen!

 

Begegnungen nach der Auferstehung

 In den vier anerkannten Evangelien (vielleicht auch in den anderen?) besteht Einigkeit darüber, dass er zunächst Frauen erschienen ist. Ungeachtet einer leicht abweichenden personellen Zusammensetzung zwischen den Evangelien war jedenfalls Maria Magdalena stets dabei, im Johannes-Evangelium kam sie sogar alleine zum Grab. Als "Empfangskomitee" am Grab ist wahlweise von einem Engel (Matthäus), einem Jüngling (Markus) von zwei Männern (Lukas), die am Rande bemerkt in einer späteren Erwähnung nachträglich zu Engeln gemacht werden, oder sogar von Niemandem (Johannes) die Rede. Bei Johannes begibt sich Maria Magdalena allerdings auch zweimal zum Grab und wird beim Zweiten Besuch schließlich gebührend von zwei Engeln empfangen. Den eindrucksvollsten Auftritt hatte der Engel bei Matthäus! Unter Zeugenschaft von Maria Magdalena und ihren Begleiterinnen wälzt der Engel dort den die die Grabhöhle verschließenden Stein hinweg und lehrt den ebenfalls anwesenden Wachsoldaten, wie oben erwähnt, das Fürchten. In den anderen Evangelien hingegen sitzt oder sitzen der oder die Engel (bzw. der oder die weiß gekleideten Männer) passiv wartend in der bereits geöffneten Grabeshöhle.

Bei den Evangelisten Markus und Lukas erscheint Jesus - ehe er sich einer größeren Gruppe an Jüngern in Jerusalem zeigt - zunächst zwei Jüngern, die sich auf einem Fußmarsch (laut Lukas nach Emmaus) befinden. Diese erkennen ihn erstaunlicher Weise jedoch nicht, sei es weil er "in fremder Gestalt" (Markus) an sie herantritt oder weil "ihre Augen gehalten waren" (Lukas). Am Rande bemerkt erkennt ihn auch Maria Magdalena im Johannes-Evangelium am offenen Grabe zunächst nicht, sondern hält ihn zunächst für den Gärtner! Er verwickelt also die Jünger in beiden Berichten über den Fußmarsch nach Emmaus in einen theologischen Diskurs, indem er ihnen klarmacht, dass der Mann, der in Jerusalem gekreuzigt wurde, in den heiligen Schriften (Psalmen, Propheten-Texte) bereits nachhaltig erwähnt wird bzw. sich ebendiese Texte vorausgreifend auf diesen Mann beziehen. Erst als sie am Ziel ihres gemeinsamen Weges eine Mahlzeit einnehmen, erkennen ihn die Jünger als ihren Meister, und zwar ausgerechnet als bzw. an der Art wie er das Brot segnete und brach (nicht etwa an seinem Gesicht, seiner Frisur, seiner Wundmale o.ä.)! Jesus war eigentlich kein großer Theoretiker und Theologe! Er hatte ein Arsenal an Gleichnissen und nahm manchmal sporadisch Bezug auf die Schriften. Es wird aber niemals erwähnt, dass er je etwas aufschrieb oder mit seinen Jüngern "Bibelstunden" hielt! Warum versucht er seinen Status als Gottessohn theologisch unter Auslegung von Schriften zu untermauern? Ist etwa die Auferstehung von den Toten ein schwächeres Indiz als Psalmen und Prophetentexte?! Und warum erzählt er das den zwei Jüngern (bzw. im Lukas-Evangelium später auch den anderen Jüngern)? Wäre es nicht zweckmäßiger gewesen, eben doch noch einmal vor die Hohenpriester zu treten, um ihnen nun aus einer spektakulär überlegenen Position heraus eine Nachhilfe-Stunde in Schriftauslegung zu verpassen?! Der latente jüdisch-christliche Konflikt der folgenden Jahrtausende wäre hinfällig gewesen, denn wer würde wohl die Ausführungen eines leibhaftig Auferstandenen anfechten wollen? An diesen Stellen der Evangelien tritt wahrscheinlich die Intention der Verfasser deutlich zutage, die ihrem "Titelhelden" ihre eigenen Worte in den Mund legen?!

(Zwischenkommentar) Zugegeben: Eine erneute Kontaktaufnahme mit der jüdischen Priesterkaste bzw. dem hohen Rat hätte nur unter der Bedingung offensichtlich vorhandener (zusätzlicher) übernatürlicher Fähigkeiten einen Sinn ergeben, mittels derer er sich einer neuerlichen Verhaftung und Hinrichtung hätte entziehen können?! Man hätte sein Erscheinen bzw. seine Auferstehung ggf. als Zauberwerk, nicht als Ausdruck göttlichen Willens (des Vaters) oder göttlicher Allmacht (seiner eigenen Person) gelten lassen. Die Geschichte handelt, wie wir wissen, in der Antike und damals unterlag die Vorstellungskraft der Menschen, jedenfalls was übernatürliche, religiöse, spirituelle oder esoterische Dinge angeht, weitaus geringeren Beschränkungen.

Markus schildert das anschließende Meeting mit den verängstigten und sich in Jerusalem versteckenden Jüngern besonders markant, da ihnen Jesus hier neben dem Missionsauftrag noch ungewöhnlich vollmundige Versprechungen mit auf den Weg gibt! "...Als Zeichen aber werden denen, die glauben, diese nebenhergehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen aufheben, und wenn sie etwas tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden. Kranken werden sie die Hände auflegen, und diese werden gesund werden" (MK 16,17-18).

 

UMSTÄNDE DER ENTSTEHUNG UND VERBREITUNG DER EVANGELIEN

Um die ungeheure Popularität und die Geschwindigkeit, in der die Evangelien verbreitet wurden, zu verstehen, müssen wir einen Blick auf die historischen Rahmenbedingungen zur Zeit ihrer Entstehung werfen. Palästina wurde von den Römern unterjocht und hatte keinerlei Chance, die verhasste Fremdherrschaft abzuschütteln. Es herrschte Endzeitstimmung so weit das Auge reichte. Die Menschen waren überwiegend ungebildet, hatten keine Ahnung davon, dass ihr Lebensraum nur einen Teil der gesamten Welt und ihr Konflikt nur eine Fußnote der Weltgeschichte darstellt. Leute vom Schlage Jesus gab es zuhauf! Wetternde Propheten, Verkünder von Apokalypsen, Hysteriker und "Erleuchtete"! Viele Juden erwarteten den Endkampf der guten und bösen Mächte. Ihre alten religiösen Schriften (allen voran die Thora), die zum erheblichen Teil Einzug in das "Alte Testament" der Bibel finden sollten, deklarieren sie zum "auserwählten Volk" Gottes. Die römische Dominanz passt denkbar schlecht zu diesem Bild! Die Irritation, die Verzweiflung und der Unmut des Einzelnen müssen furchtbar gewesen sein und jeder Prediger, der etwas von der nahenden göttlichen Gerechtigkeit zu berichten wusste, wurde willig als Sendbote des Himmels wahrgenommen!

 

 DARSTELLUNGSFORM DER EVANGELIEN

Die Evangelien erscheinen uns auch heute noch spektakulär und viele sind fassungslos, wie sich die Glaubwürdigkeit solcher Berichte bis in die Gegenwart erhalten konnte bzw. erachten sie genau deshalb als glaubwürdig, eben weil die Menschheit bereits schon 2 Jahrtausende an ihnen festhält!

Jungfrauengeburt, Gotteszeugung, Brotvermehrung, wundersame Heilungen und Auferstehung nach erlittenem Kreuzestod-  wer kann da dagegenhalten fragt man sich!

Tatsächlich aber bewegen sich die Evangelisten in einer für antike Verhältnisse durchaus eher "normalen" Darstellung und Polemik! Viele antike Helden wurden in ebensolcher Ernsthaftigkeit, unter ebensolcher Voreingenommenheit und Überzeugung der Verfasser mit keineswegs geringeren Fähigkeiten ausgeschmückt!  Auch sie stammen teilweise von Göttern ab, werden von Jungfrauen geboren und auch sie erstehen bisweilen von den Toten auf!

Platon etwa wird vom Gott Apollon gezeugt, das Jungfernhäutchen seiner Mutter ist nach seiner Geburt intakt! Empedokles erweckt einen Verstorbenen wieder zum Leben, Anaxagoras sieht in die Zukunft und Pythagoras erhebt sich ebenfalls von den Toten (wofür er sich allerdings 207 Jahre Zeit lässt und somit den Geschwindigkeitsrekord von Jesus mitnichten gefährdet)! 

Man sollte den Evangelisten aber nichts Böses unterstellen! Man darf durchaus annehmen, dass sie in uneingeschränkter Vereinnahmung und Überzeugung von den ihnen mündlich zugetragenen Geschichten gehandelt haben und nicht vorsätzlich Mythen über Jesus erzeugten!

 

DIE EVANGELIEN HEUTE

Wir sind es gewohnt, zwischen Berichten über antike Gottheiten, Helden und Philosophen einerseits, und biblischen Berichten (insbesondere den Evangelien) andrerseits rigoros zu unterscheiden! Erstere betrachten wir wie fiktive "Raumschiff Enterprise" - Episoden, während Zweiten bisweilen eine zumindest gefühlte Authentizität zugestanden wird! Dabei waren es durchaus "gewöhnliche" geschichtlich-kulturelle Ursachen, die aus den einen Fabeln und aus den anderen zumindest "geglaubte" Wahrheiten werden ließen! Die christlichen Erzählungen traten einen Siegeszug an, der sich über Gruppen, Staaten, Nationen und Weltreiche ausdehnte! Gewisse historische Ereignisse und Rahmenbedingungen begünstigten und beflügelten diese Entwicklung. 

Die sehr lange Tradition der evangelischen Geschichten hält die Menschheit auch weiterhin in ihrem Bann. Versuchen wir uns etwa den spanischen Stierkampf entkoppelt von seiner Tradition vorzustellen - da würde jeder nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen (was mittlerweile auch zunehmend geschieht)! Dabei ist der Mythos um die Person Jesus (der zumindest als sterblicher Mensch sehr wohl existiert haben dürfte) mitnichten in sich derart geschlossen wie man allgemein annimmt! Über Jahrhunderte hinweg wurde an den Evangelien mancherlei kopiert, gekürzt, weggelassen oder verdreht- mit und ohne Vorsatz! Beim Versuch, eine stimmige Geschichte aus den Überlieferungen herauszubilden, mussten harte Konsequenzen gezogen werden! In Bezug auf die Evangelien wurden manche für echt erklärt, andere willkürlich ausgesondert! Sie zählen zu den sog. "Apokryphen", den inoffiziellen Büchern. Die Berücksichtigung ihrer Inhalte würde die Konstruktion eines schlüssigen Gesamtbildes zu sehr behindern, wenn nicht verunmöglichen!

 Aber auch innerhalb der offiziellen "synoptischen" Evangelien besteht kein wirklicher Mangel an Widersprüchen und Ungereimtheiten. Ferner sind die Evangelien teilweise voneinander abgeschrieben! Lukas und Matthäus verfassten ihre Schriften unabhängig voneinander zu einem späteren Zeitpunkt auf Basis des bereits vorhandenen Markus-Evangeliums und unter Einbeziehung zusätzlicher Überlieferungen!

 

"BRUDERKRIEG DER JESUS - JÜNGER"

 

".....Seht, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt". (MT 28,20)

Wenn wir uns die frühe Apostelgeschichte ansehen, merken wir schnell, dass sich Jesu Jünger trotz solcher Versprechungen und der ausdrücklichen Zusicherung von Hilfe seitens des Heiligen Geistes mit nicht wenigen Zweifeln allein gelassen fühlten! So konnte etwa die Frage, ob sich der Missionsauftrag nun ausschließlich auf die Juden oder ebenso auf die Heiden beziehen sollte, nicht ohne Weiteres beantwortet werden!  Im Matthäus-Evangelium heißt es hierzu einmal: "...Geht nicht den Weg zu den Heiden und betretet nicht eine Stadt der Samariter, geht vielmehr zu den verlorenen Söhnen Israels" (MT 10,5-6)
 und ein anderes Mal hingegen
"... Geht darum hin und macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes..."(MT 28,19)

Bei Markus heißt es sogar noch weitreichender: "..Geht hin in alle Welt und verkündet das Evangelium aller Kreatur!" (MK 16,15)

Wenn der Verfasser (oder Jesus - falls er richtig verstanden und zitiert worden sein sollte) diesen Satz nicht bewusst polemisch überspitzt hat, könnte man hieraus die Aufforderung ableiten, selbst nichtmenschlichen Lebensformen die Heilsbotschaft zu verkünden (was angesichts fehlender höherer Bewusstseins-Funktionen und Sprachfähigkeit von Tieren nicht sehr zweckmäßig sein dürfte)?!

 

Auch die Frage, ob bzw. in welchem Maße sich Jesus im Einklang bzw. im Widerspruch zu den traditionellen jüdischen Gesetzen befand und welche Konsequenzen sich hieraus für die Jüngerschaft zu ergeben haben, war schwer zu klären! Auch Stephanus, der erste christlichen Märtyrer, befand sich im Spannungsfeld der zwischen den aramäisch- und den griechischsprachigen Judenchristen der Urgemeinde aufkommenden Streitfrage, ob und in welchem Umfang der Einsatz in Lehre und Predigt zugunsten einer stärkeren Fürsorgeleistung für Arme, Witwen und Waisen ggf. vernachlässigt werden darf. Im Zuge seiner Schlichtungsversuche erregte Stephanus auch die Aufmerksamkeit und den Zorn des jüdischen hohen Rates, dem Inhalte seiner Reden zugetragen wurden. Auch Stephanus identifizierte Jesus mit dem Erlöser-Messias, den die Juden (allerdings nicht in der Person Jesu Christi) erwarten. Diese Gotteslästerung brachte ihm den Tod durch Steinigung.

 

Quellen für Inspiration und Information dieser Themenseite waren:

"DAS BIBELRÄTSEL" von Hans-Christian Huf (Econ Verlag)

"WIR BRAUCHEN KEINEN GOTT" von Michel Onfray (Piper Verlag).

 

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NATÜRLICHER  URSPRUNG 
UND  BEDEUTUNG  DER  RELIGION

 

SCHNELLÜBERSICHT

* Alle menschlichen Kulturen hatten zu allen Zeiten einen Glauben an Götter.

* Aufwändige religiöse Rituale werden ebenfalls seit vermutlich schon 100.000 Jahren praktiziert.

* Religion entspricht gemäß materialistischer Sichtweise einem soziokulturellen Phänomen, mit wichtigen Funktionen für den menschlichen Zusammenhalt innerhalb von Gruppen

* Es gibt sogar einen neurologischen Mechanismus ("Gottes-Modul"), der den Menschen für religiöse Empfindungen und Ideen prädestiniert!

* Die ernüchternden Erkenntnisse über mögliche natürliche Ursachen der Religiosität stellen keinen ultimativen Anti-Gottes-Beweis dar.

 

 

Warum erfinden die Menschen seit jeher Götter und religiöse Märchen und warum peitschen sie sich selbst zu größten Opfern zum Dienste der Götter auf!

Eine der trivialsten "Erklärungen" für die mögliche Entstehung eines Götterglaubens sieht folgendermaßen aus: Unsere urmenschlichen Vorfahren sahen in ihren nächtlichen Träumen verstorbene Verwandte. Ein an sich überaus simpler Sachverhalt der auch uns vertraut ist! Aber woher sollten die Urmenschen wissen was Träume sind? Sie lebten in der Vorstellung, die Traumwelt sei real und ihre Angehörigen müssten in jener Welt, in die man nur manchmal im Nachtschlaf einen Blick hineinwerfen kann, weiterleben. Die Vorstellung einer Seele, die den Tod unbeschadet überstehen kann, war geboren.

Eine andere Hypothese besagt - ganz vereinfacht ausgedrückt - die Religion entspränge dem Konflikt zwischen menschlichen Plänen und der Realität! Sie ist eine Projektionsfläche für Wunsch- und Größenträume, ein Kompensationsmechanismus für alle Niederlagen und gescheiterten Visionen.

Eine fast schon frivole Hypothese geht von einer gesteigerten sexuellen Anziehungskraft durch religiöse Riten aus! Jemand der Lebensmittel auf einem Altar verbrennt, betreibt eine demonstrative Ressourcen-Vernichtung, vergleichbar mit einem neureichen Spießer, der sich die Zigarre mit einem Geldschein anzündet! Die Botschaft an die Weibchen lautet: "Seht her - ich lebe im Überfluß! Ich kann es mir sogar leisten Ressourcen zu verschwenden!

 

ZEREMONIEN DIENEN ALS KOMMUNIKATIONSMITTEL !

Solches Verhalten erscheint uns grotesk! Es gibt aber plausible Entsprechungen in der Tierwelt! Bei vielen Tieren haben die Männchen auffällige Farben mit denen sie Weibchen beeindrucken, sich aber auch gegenüber ihren Fressfeinden selbst gefährden. Viele Balz- und Paarungsrituale sind unglaublich energieaufwändig und zehren an den Kräften der Tiere! Begegnet ein Springbock einem Raubtier, nimmt er nicht etwa flugs die Beine in die Hand um seinen Hintern aus dem Fadenkreuz zu bekommen! Nein - er "prunkt", d.h. er springt auf der Stelle wiederholt so hoch in die Luft wie es ihm möglich ist! Die entsprechende Botschaft an den Wolf oder die Raubkatze lautet:" Schau her welche Sprungkraft ich habe! Miss Dich nicht unnötig an meiner Schnelligkeit - Deine Mühen werden umsonst sein!" Dem Raubtier wiederum wird zumindest klar, das mit Sicherheit kein altes, schwaches oder krankes Tier vor ihm steht und der Aufwand eines Angriffes zumindest mal kurz überdacht werden sollte!

 

DIE THEORIE DER TEUREN RITUALE

Anthropologen sind davon überzeugt, dass Religion ein soziokulturelles Phänomen ist! Sie bietet offensichtlich Vorteile für das Zusammenleben der Menschen! Die Evolution fördert den Glauben ans Übernatürliche!

Jede Kultur die bisher existierte, glaubte an einen oder mehrere Götter und in jeder Kultur gab und gibt es religiöse Rituale. Wenn wir heute die Verstümmelung weiblicher Geschlechtsteile bei afrikanischen Religionsgemeinschaften sehen oder uns die ultraorthodoxen Juden ansehen, die sich bei brütender Hitze in dicke schwarze Gewänder hüllen um stundenlang betend an der Klagemauer zu schmachten, so wundern wir uns mitunter, warum sich Menschen so etwas selbst bzw. im erstgenannten Fall ihren Mitmenschen antun können!

 

UM ES KURZ ZU MACHEN

Religion festigt den Gruppen-Zusammenhalt. Der Erfolg einer Gruppe liegt umso höher, je mehr Einsatzwillen von seinen Mitgliedern aufgebracht wird. Im Zusammenwirtschaften einer Gemeinschaft tritt aber ein verhaltensökologisches Dilemma zum Vorschein: das Problem der Schnorrer und Schmarotzer! Rituale entsprechen einer Möglichkeit, wie sich eine Gemeinschaft vor Leuten schützen kann, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht und dem Gemeinwohl gegenüber gleichgültig eingestellt sind!

Religiöse Rituale bürgen für die Loyalität gegenüber der Gemeinschaft und machen die Überwachung zunehmend überflüssig! Wenn der Krieger eines Stammes bekundet: "Ich erscheine morgen zur Schlacht gegen unsere Feinde!", dann kann er dies ernst meinen oder nicht. Bekundet er aber durch schmerzhafte Zeremonien die Identifikation mit der Gruppe und den Glauben an das, wofür sie steht, darf auch seine Kampfbereitschaft als weitaus authentischer eingestuft werden!

Je teuerer die Rituale, umso mehr gewährleisten sie den Zusammenhalt in der Gruppe.

Das Außergewöhnliche religiöser Praktiken und der damit verbundene Aufwand bedingen den Erfolg der Religion als universelle kulturelle Strategie.

Man könnte jetzt fragen, warum nicht "irgendein" übergeordnetes Sinn-Konzept ausreicht, um eine Gemeinschaft nachhaltig zusammenzuschmieden.

Die Antwort: Übernatürliche Konzepte brennen sich stärker in die Erinnerung ein als weltliche Ideen und werden daher besser überliefert. Der Glaube an übernatürliche Wesen wie Geister und Götter ist von großer Bedeutung für einen andauernden Kooperationswillen.

Ein weiterer Grund dafür, warum die Hingabe an übernatürliche Glaubensinhalte mehr Zusammenhalt erzeugt als weltliche Ideale ist folgender: Glaubenslehren stützen sich auf nicht überprüfbare Thesen die sich nicht falsifizieren lassen. "Jesus ist Gottes Sohn" ist weder beweisbar noch widerlegbar. Der von Karl Marx übernommene Gleichheitsansatz ist leichter überprüfbar. Man verteilt Arbeit und Ressourcen und schaut was herauskommt. In der Folge entsteht der Drang nach leistungsbezogener Entlohnung. Die Eigeninteressen der Gemeinschaftsmitglieder werden nach und nach wieder vorrangig.

 

GOTT IM GEHIRN:
NEUROLOGISCHE URSACHEN FÜR RELIGIOSITÄT

Hirnforscher haben die Angewohnheit uns mit ihren Erkenntnissen zu verblüffen! Eine der phänomenalsten Befunde der letzten Zeit dürfte im Nachweis einer neuronalen Basis für religiöse Erfahrungen bestehen!

Wir scheinen sozusagen genetisch auf Religiosität ausgerichtet zu sein!

Das muss nicht als Anti-Gottes-Beweis gedeutet werden! Ein übernatürlicher Schöpfer könnte ja - bei umgekehrter Argumentation - selbst der Urheber für dieses Modul sein.

Wie auch immer:
 Auf dieses sog. "Gottesmodul" wurde man bei der Untersuchung von Patienten mit Temporallappenepilepsie (kurz: TLE) aufmerksam. Bei der TLE- Erkrankung kommt es  zu unkontrollierten Erregungen im Bereich des Schläfenlappens. Dieser hängt anatomisch und funktionell eng mit Hippocampus und Amygdala zusammen.

Bei akuten Anfällen erleben TLE-Patienten spirituelle Visionen. Diese sind für viele Betroffene derart beeindruckend, dass sie sich auch in den Phasen zwischen solcher Anfälle verstärkt religiös verhalten!

Das limbische System, vor allem die diesem zugehörige Amygdala beurteilt Sinneseindrücke und Erfahrungen nach Wertigkeit. Zentralen Ereignissen werden emotionale Stempel aufgedrückt, wodurch sie im Gedächtnis besser konserviert und für das Bewusstsein leicht präsent gemacht werden.

Bei gesunden Menschen spricht dieses System bei Experimenten besonders stark etwa auf Bilder von nahen Verwandten, sowie auf Sex- und Gewaltdarstellungen an. Bei TLE-Patienten sind diese Wertigkeiten verändert! Die eben genannten Reize lassen sie kalt, dafür reagiert ihr limbisches System verstärkt auf religiöse Szenen. Mitunter reicht die verbale Nennung des Begriffes "Gott" für einen Gefühlssturm aus! Hierbei ist eine Intensivierung neuronaler Verschaltungen zwischen den sensorischen Arealen im Temporallappen und des limbischen Systems festzustellen.

Religiöse Rituale kommen dem Gefühlsreichtum des limbischen Systems sehr entgegen! Zeremonien unterscheiden sich von Alltagsabläufen und das Hirn registriert sie als "besonders bedeutend".

 

EXPERIMENTE MIT MEDITIERENDEN:

Man hat mittels bildgebender Verfahren (Magnetresonanztomograph) Untersuchungen an meditierenden Menschen gemacht, um der Natur religiöser Erfahrungen nachzuspüren. Zu diesen Erfahrungen oder Empfindungen gehören etwa das Gefühl, Eins zu sein mit dem Universum, das Verschwinden von Grenzen, die Verbindung zu irgendeiner Energie, ein Zustand von Klarheit, Transparenz und Freude und eine tiefe Verbindung zu allem.

Den Probanden wurde eine leicht radioaktive Flüssigkeit injiziert. Dann versuchten sie sich in einen Zustand tiefen religiösen Empfindens hineinzumeditieren oder zu -beten (Franziskaner-Nonnen nahmen am beschriebenen Experiment ebenfalls teil). Wenn die Probanden glaubten, den Zustand religiöser oder meditativer Ekstase erreicht zu haben, zogen sie an einer Schnur und der Tomograph begann sogleich ihre Gehirne nach Regionen zu durchsuchen, die auffallend aktiv oder auch auffallend inaktiv waren!

Das Ergebnis:
Das im Scheitellappen befindliche "Orientierungs-Assoziations-Areal" (nachfolgend OAA genannt) war besonders inaktiv. Normaler Weise vermittelt diese Region eine Empfindung darüber, wo der Körper endet und die äußere Welt beginnt.

Die Informationsquelle des OAA ist ein interner Wahrnehmungsprozess, den man als Propriozeption  (Wahrnehmung von Körperlage- und bewegung im Raum) bezeichnet: An der Propriozeption sind in erster Linie die Tiefensensibilität und das Gleichgewichtsorgan beteiligt: Zahllose Sensoren (Mechanorezeptoren) registrieren Zustand und Zustandsänderungen des Bewegungs-und Haltungsapparats (Muskelspindeln, Sehnenspindeln, Winkelstellung der Gelenke,..). Der Vollständigkeit halber sei die Viszerozeption erwähnt - jener Wahrnehmungsprozess, über den das vegetative Nervensystem dem Hirn Informationen über die Organtätigkeiten übermittelt, auf deren Basis das Hirn wiederum z.B. Hunger- und Müdigkeitsempfinden, den Blutdruck oder die Hormonausschüttung reguliert.

Der linke Teil des OAA vermittelt das Gefühl für die physischen Grenzen des Körpers. Bei magersüchtigen Personen ist dieses Areal häufig funktionsgestört und die Betroffenen nehmen sich selbst als viel schwerer und fülliger wahr, als sie sind! Der rechte Teil des OAA verarbeitet Informationen über Zeit und Raum, also den Kontext, in dem der Körper agiert. Für seine Berechnung benötigt das OAA ständig Informationen von den Sinnesorganen. Bei tiefer Meditation werden die Sinnesorgane "ausgeblendet". Die Schläfenlappen erhalten keinen Input mehr. In Ermangelung des normalen "Informations-Futter" kann der linke Teil des OAA die Grenze zwischen dem Selbst und der Welt nicht mehr definieren. Als Resultat nimmt das Gehirn seinen Besitzer als eng verbunden mit allem und jedem wahr. Durch fehlende Stimulation des rechten OAA verschwindet auch der Bezug zu Raum und Zeit. Infolge dessen entsteht ein Gefühl von Ewigkeit und Endlosigkeit.

Es spielen aber noch weitere Hirnbereiche mit hinein! Der Hippocampus ist eine Art Schleusentor. Er reguliert den neuronalen Informationsfluß zwischen Hirnarealen. Bei tiefer Konzentration auf Objekte, Worte oder Gedanken treibt die starke Beanspruchung anderer Bereiche (etwa des Aufmerksamkeitszentrums) den Hippocampus dazu, den Input zum Scheitellappen abzuschalten. Das Orientierungsareal (OAA) arbeitet aber trotz seiner "Blindheit" weiter und vermittelt den Eindruck, man löse sich in etwas sehr viel Größerem auf. Die "Gegenwart Gottes" wird spürbar. Es entsteht das Gefühl der Existenz einer übernatürlichen Macht.

 

Abschließende Gedanken:

Es ist faszinierend festzustellen, dass uns die Evolution geradezu drängt, metaphysische Vorstellungen und Überzeugungen zu entwickeln.
 

 Die natürliche Veranlagung, an Übernatürliches zu glauben bestand schon ehe die Kleriker (vormals wohl "Schamanen", "Medizinmänner", etc.) die Federn in die Tinte tunkten bzw. Mythen verbalisierten, um diesen vagen Vorstellungen Gesichter und Namen zu verleihen. Erst dann kamen die Menschen ins Spiel die diese Märchen mit Hingabe und Liebe wie Schwämme in sich aufsogen, sich dabei glücklich fühlten, auf Basis dieser Fabeln ihre Empfindung für die Präsenz des Übernatürlichen verstärkten und so den Nährboden für noch mehr fromme Geschichten bereiteten! Die Menschen schrieben auf an was sie glaubten und sie glauben was sie schrieben! Diese Spirale hat sich selbst verstärkend immer höher geschraubt.

 

Anmerkung: Quelle für Inspiration und Information zu diesem Beitrag waren im Wesentlichen folgende Beiträge im Wissenschafts-Magazin "Gehirn & Geist": "Wo Gott wohnt" G+G 02/2002; "Vom Eros zum Kleros" G+G 3/2006; "Teure Rituale" G+G 1-2/2005 und "Vom Sinn und Nutzen der Religion" G+G 1-2/2005. Ich kann trotz höchster Ansprüche an die eigene Arbeitsweise keine uneingeschränkte Garantie dafür übernehmen, die Quellen  - Aussagen in jedem Punkt richtig wiederzugeben, zumal ich nicht zitiere!

 

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ZUKUNFT UND PERSPEKTIVEN DES GLAUBENS 

 

SCHNELLÜBERSICHT

* Spiritualität und Religiosität können u.U. Glück, Wohlbefinden, Sinnempfinden und moralisches Verhalten von Menschen steigern

* Eine Vielzahl von Menschen wird sich anzunehmender Weise auch in Zukunft zu religiösen, spirituellen und mystischen Ansichten bekennen und an diesen festhalten.

* Da die Existenz des Übernatürlichen nicht total widerlegt werden kann, können Gläubige immer an "irgendwas" festhalten, auch wenn die traditionellen Religionen weiterhin entmystifiziert werden und ihre zentralen Figuren und Geschichten zunehmend abwegig erscheinen.

 

Glaube und Wissenschaft befinden sich zumeist im krassen Widerspruch zueinander, auch wenn dies manche Menschen gebetsmühlenartig in Abrede zu stellen versuchen (etwa unter Verweis auf irgendwelche einstweilen unzulänglich erklärbaren Phänomene im Bereich der Quantenphysik).

Wenn man sich die heutige Glaubenslandschaft ansieht kann man einen erstaunlichen Effekt erkennen: Auch unter den nicht naiven Menschen gedeiht der Glaube weiterhin. Darin muss man nicht zwingend ein Problem sehen! Es mag durchaus sein, dass der Glaube an Gott und an eine unsterbliche Seele für das Glücksempfinden vieler Menschen wichtig ist. Und da kein ultimativer, jenseits jeglicher Interpretation liegender Gegenbeweis für die etwaige Existenz des Übernatürlichen erbracht werden kann (besser gesagt: rein methodisch nicht definiert werden kann), wäre es durchaus unberechtigt, jemanden das Recht auf Spiritualität abzusprechen oder ihn als weniger intelligent bezeichnen zu wollen.

Wie funktioniert der Glaube in einer Welt der wachsenden Erkenntnisse in sämtlichen naturwissenschaftlichen Bereichen, insbesondere der Astronomie, Biologie, Anthropologie und Neurologie?!

 

Es gibt mehrere Varianten:

Die erste begegnet uns in der Gestalt des Fundamentalismus: Religiöse Fanatiker klammern sich mit kindlichem Eifer an Fabeln, Märchen und Mythen. Wissenschaftliche Fakten interessieren in diesen Kreisen nicht die Bohne, allenfalls dass die Erde eine Kugel ist wird ggf. noch akzeptiert. Diese Fundamentalisten halten natürlich an der Tradition der großen monotheistischen Religionen fest und behandeln z.B. die alttestamentlichen Berichte wie historische Tatsachen. Eine Spiritualität jenseits der traditionellen Glaubensinhalte lehnen sie als Aber- oder Götzenglauben ab.

Die zweite Variante ist der Kreationismus:
Dessen Jünger sind ebenfalls Fundamentalisten die strikt an die althergebrachten religiösen Mythen und Erzählungen glauben. Sie gehen sogar einen wesentlichen Schritt weiter! Sie behaupten diese Fabeln wären beweisbar. Die Naturwissenschaften müssten die entsprechenden Beweise eigentlich sogar hervorbringen - wären sie nicht Teil einer globalen Verschwörung aus Wissenschaft, Staat, Bildungseinrichtungen sowie den Medien zum Nachteil der Religion! So aber bleibt die "Wahrheit" ihrem Empfinden nach eben auf der Strecke. Ihre "wissenschaftliche Wahrheit" erzeugen die Kreationisten in Form bizarrer Postulate, in denen sie Mythen und "Wissenschaft" in mitunter komplexen aber nicht stichhaltigen Konstrukten miteinander vermengen. Diese Fiktionen richten sich primär gegen den naturwissenschaftlich belegten Evolutionsprozess und werden gegenüber einem naiven Publikum zum Teil sogar relativ erfolgreich vermarktet.

Bei der dritten Gruppe von Gläubigen handelt es sich nicht mehr um Fundamentalisten, sondern "nur" noch um Traditionalisten. Auch sie gehören einer der drei monotheistischen Weltreligionen an, deren Schriften sie grundsätzlich als verbindlich erachten. Die weniger ernsthaften Traditionalisten begeben sich auf ein zum Teil laizistisches und nihilistisches Terrain. Sie nehmen ihre Religion ernst, aber nicht so ernst, dass jedes Wort der Bibel, der Thora oder des Koran den Status einer unantastbaren Wahrheit hätte. Diese Leute können mit dem religiös-wissenschaftlichen Konflikt einigermaßen gut leben! Sie akzeptieren beide Seiten bis zu einem gewissen Grad. Sie erkennen zwar, dass sich manche Dinge extrem widersprechen, verzichten aber bewusst auf eine stärkere Auseinandersetzung mit diesen Widersprüchen. Sie unternehmen (im Gegensatz zu den Kreationisten) keine Versuche, Dinge auf Biegen und Brechen zusammenzufügen, die hinten und vorne nicht zusammenpassen! Sie vertrauen instinktiv darauf, dass die Dinge auf einer höheren Ebene vielleicht doch "irgendwie" besser zusammenpassen als es erscheint oder trösten sich einfach damit, dass wohl zumindest "irgendwas" an ihrem traditionellen Glauben dran sein könnte.

Die vierte Kategorie von Gläubigen bezeichne ich als die "wilden Gläubigen". Sie verschreiben sich der Spiritualität und der Mystik ohne sich auf genaue Inhalte festlegen zu wollen. Ein bischen Esoterik, ein bischen Astrologie, ein bischen Naturreligion, ein bischen Rückkehr zu archaischen Göttern der Germanen, Griechen oder der Hinduisten, etc. Die Inhalte sind nicht das worum es geht - auch wenn Rituale praktiziert werden! Man spricht hier auch vom "individualisierten Polytheismus".

Die fünfte Glaubenskultur ist meiner persönlichen Meinung nach die zukunftsträchtigste Variante: Hier finden sich sehr aufgeschlossene Menschen die sich auch durchaus der Konsequenzen der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse bewusst sind. Sie sprechen nicht mehr von Gott als Person, sondern von Gott als einer Art Prinzip, einer Art "Meta-Naturgesetz". Ein personales Gottwesen welches z.B. eine Weltkugel in sieben Tagen zusammenbastelt, ein Paradies anlegt, Lehmfiguren knetet und mit Lebensodem versieht, menschliche Vorhäute sammelt und mit menschlichen Jungfrauen Gottessöhne zeugt, stinksauer wird weil jemand vom falschen Baum einen Apfel pflückt und nach zünftigen Wutanfällen (Paradies-Vertreibung, Sintflut, etc.) letztlich seinen eigenen gott-menschlichen Sohn mal schnell zum Kreuzigen vorbeischickt, existiert für diese Gruppe an Gläubigen im Prinzip ebenso wenig wie für die Atheisten. Sehr wohl aber ist deren "nicht-personale" Gottheit etwas Zentrales, Allumfassendes und Mächtiges. Auch "Er" oder vielmehr "Es" kann für jenseitige Gerechtigkeit sorgen, ewiges Leben ermöglichen und sich den Menschen irgendwie "offenbaren" (etwa durch besondere Eindrücke beim Meditieren).

 

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DIE SCHATTEN DES GLAUBENS

"ZU RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN......"

SCHNELLÜBERSICHT

* Den positiven Aspekten des Glaubens steht eine erhebliche Menge nachteiliger Effekte gegenüber, die sich abhängig von gewissen Umständen fatal auf Individuum und Gesellschaft auswirken können!

 

 

Die Vorteile von Religion und Spiritualität lassen sich nicht generell ableugnen! Manche Menschen erhöhen durch Religiosität ihre Lebensqualität. Auch die Sozialverträglichkeit eines Menschen kann durch Religion und Gottesglauben verbessert werden (wenn ihm die Ehrfurcht gegenüber einer übernatürlichen moralischen Instanz zu noch mehr Selbstbeherrschung und Friedfertigkeit anregt, als dies durch sein "authentisches" Gewissen der Fall wäre)!

Aber genauso wie Medikamente neben ihrer erwünschten positiven Wirkung auch schädliche Nebenwirkungen entfalten können, sind auch die positiven Aspekte der Religion keine Einbahnstraße!

Wir leben grundsätzlich in einer hoch komplizierten Welt! Unzählige Personen, Dinge und Ereignisse umgeben uns. Undurchschaubar ist das interaktive Geflecht an totalen und bedingten Abhängigkeiten, von Ursache und Wirkung, von Rückkoppelung und Wechselwirkung, etc. Was wir erleben befindet sich im unablässigen Wandel und im Kontext zu vielen anderen Erlebnisinhalten.

Die Religion bietet dem Menschen Hilfe bei der Orientierung in dieser furchtbar komplexen Welt in der alles mehr oder weniger "relativ" ist! Die Religion definiert totale Größen und polarisiert! Sie erzeugt grobschlächtige Ordnungsstrukturen: Sie postuliert eine einzige verbindliche Wahrheit, eine totale Unterscheidung in richtig und falsch, eine ebenso totale Definition von Gut und Böse, zeigt uns einen einzig wahren Gott, etc.

Wer sich in den Schoß des Glaubens fallen lässt (die entsprechende individuelle Fähigkeit vorausgesetzt), begibt sich in eine einfachere, überschaubarere, weniger komplizierte und somit als sicherer empfundene Welt! Die ganz großen Lebens- und Schicksalsfragen scheinen auf einmal beantwortet zu sein, und falls doch nicht, kann sie notfalls der Dorfpfarrer in drei Sätzen erklären.

"Opium für das Volk" - so spottete derzeit Lenin über die Bedeutung der Religion! Aber die Metapher war vielleicht gar nicht wirklich böse gemeint?! Ein Rauschmittel kann mich beflügeln, inspirieren, mich alle Probleme vergessen lassen, mir Leichtigkeit, Kommunikationsfreudigkeit, Hoffnung und Glücksgefühle vermitteln! Es kann mich aber auch auf einen Horror-Trip schicken, aggressiv machen, meinen Verstand außer Kraft setzen und mich zu verheerenden Fehlentscheidungen verleiten!

Religion kann mitunter auch zu einer Quelle der Lebensverachtung und -verleugnung werden. Sie kann Ursache für die Ausgrenzung und Diskriminierung von Frauen und Randgruppen sein. Sie kann den Anstoß für Kriege und Zwiespalt zwischen Gruppen und Völkern geben und auch Ursache für Höllenängste, Zwänge und Minderwertigkeitsempfinden sein!

Das Hauptproblem des Monotheismus ist Folgendes: Es gibt leider mehr als nur eine "absolute Wahrheit"! Juden, Christen und Muslime liegen im Dauerclinch darüber, ob Gott kinderlos ist oder einen Sohn hat, ob Jesus der Messias war oder ob dieser noch erscheinen wird,.... Man kann sich ggf. darauf einigen, dass nur die Gottesvorstellungen verschieden sind, sich aber auf dasselbe dahinter stehende übernatürliche Wesen beziehen.

Aber auch mit diesem Kompromiss kommt man in bestimmten konkreten Situationen nicht weiter:

 Der Gott der Bibel erklärt Israel zu seinem auserwähltem Volk und gesteht ihm überaus konkrete Gebietsansprüche zu! Westjordanland, Gaza und die Stadt Hebron bspw. kommen uns alle aus aktuellen oder zeitnahen Schlagzeilen mehr oder weniger bekannt vor. Sie werden aber auch in der Bibel mit ihren heute noch (oder wieder) existenten Namen bezeichnet und zwar als Eigentum Israels! Muslime hegen indes unter Berufung auf ihre heiligen Schriften ebenso wenig Zweifel daran, dass Allah keinem Ungläubigen (das sind aus ihrer Perspektive alle Nicht-Muslime) Gebietsansprüche im heiligen Land zugestehen würde (insbesondere die Stadt Jerusalem bedeutet auch für sie ein außergewöhnliches Heiligtum).

Also stehen die (je nach Standpunkt) monotheistischen Mythen bzw. göttlichen Wahrheiten sehr substanziell in Beziehung zu aktuellen (und wahrscheinlich künftigen) konkreten geopolitischen Problemen und Krisen!

Klarstellung: Nichts läge mir ferner als diesen angesprochenen Nahost- Konflikt an dieser Stelle politisch oder moralisch zu kommentieren oder für irgendeine Seite Partei zu ergreifen! Mein persönliches Mitgefühl gehört den vernünftigen und friedfertigen Menschen in beiden Lagern, die unter der Gewalt  der Terroristen und der Kompromisslosigkeit der Hardliner zu leiden haben!  Ich möchte unter Bezugnahme auf dieses höchst anschauliche Beispiel nur verdeutlichen, wie das grundsätzlich friedensförderliche Potential der Religion mitunter durch die Religion selbst zunichte gemacht und in ihr Gegenteil verkehrt werden kann.

 

 

"WO GOTT NICHT IST, IST ALLES ERLAUBT!"

So fasste jemand die angebliche Bedeutung des Glaubens für die Menschlichkeit und Moral der Völker zusammen!

Abgesehen davon das die Sache bei Weitem nicht so einfach ist (siehe auch Kapitelseite "Gut und Böse - natürliche Ursachen") kann man den Spieß in dieser Argumentation auch mühelos umdrehen:

"TÖTET ALLE - GOTT WIRD DIE SEINEN SCHON KENNEN!"

Diese Antwort erhielt der Offizier eines katholischen Generals während der Ketzer-Feldzüge im Gebiet des heutigen Frankreichs auf seine Frage, wie man in einer zu stürmenden Stadt, die Katholiken von den Ketzern unterscheiden solle. Aber auch ein Rückblick in die Folterkammern der Inquisition lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass aus dem Eifer des Glaubens nicht nur Gutes entspringt!

"DEUS LO VULT - GOTT WILL ES !"

lautete auch der Schlachtruf der mittelalterlichen Kreuzfahrer, deren "Frömmigkeit" mitunter sehr blutrünstige Züge annehmen konnte.

"ALLAHU AKBAR - GOTT IST GROSS"

diese Phrase begleitet oft genug Hinrichtungsszenen, die von IS-Terroristen im Internet verbreitet werden!

Ein religiöser Mensch möchte hier vielleicht das übliche Argument einbringen, dass diese Dinge nicht die Fehler Gottes, sondern die Fehler jener Menschen sind, die sich in ihrem schändlichen Tun auf ihn berufen! Ich fürchte das ist ein überaus schwacher Trost für denjenigen, der religiös motivierte Gewalt zu erdulden hat!

 

 

 

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